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24. Dezember

Jimmys Gesicht war das Erste, was Eb wieder wahrnahm. „Alles klar bei Dir?“ frage der Postbote besorgt und half Eb beim Aufstehen. „Tut mir leid, ich habe Dich nicht kommen sehen!“ sagte Jimmy, und hielt Eb einen kleinen Stapel mit Postkarten entgegen. „Hier, die wollte ich Dir vorbeibringen. Weihnachtskarten, von all Deinen Freunden. Von Deiner Familie. Und von Julius und Herbert, aus Deiner Stammkneipe. Und Dein Kumpel Lindi hat eine Karte geschickt, frisch aus Bali! Ist das nicht toll?“ Eb hörte gar nicht mehr zu. „Geh jetzt bitte, Jimmy, ich möchte alleine sein“. Traurig schlich Eberhard herüber zur Eingangstreppe, und schaute auf die Scherben seines Geschenks. Alles war zerbrochen, nichts mehr zu retten. Und von drinnen, aus seiner Höhle, hörte er schon leise Weihnachtsmusik, und seine Bärbel, die fröhlich vor sich hin sang. Anscheinend hatte sie noch nichts gehört. Aber das half ihm jetzt auch nichts. Alles war aus! Er hatte mal wieder alles vermasselt! Eberhard legte seine Stirn

23. Dezember

Mit einem letzten Knirschen schlitterte der Turboschlitten die letzten Zentimeter über's Eis und kam dann endlich zum Stehen. Es dauerte einige Momente, bevor Eb die vom eisigen Fahrtwind zugefrorenen Augen wieder öffnen konnte. Noch länger dauerte es, bis er seine Krallen endlich aus dem Kohlefasergehäuse des Schlittens befreit hatte. Mühsam stand er auf, und tastete vorsichtig nach der wertvollen Eiskrippe, dem hart erkämpften Geschenk, das er in einem Tuch auf seinem Rücken eingewickelt hatte. „Gottseidank“, dachte Eb, „alles noch heil,“ und betrachtete das wunderschöne Kunstwerk dankbar. Hinter Eb kam langsam Reini wieder zu sich, der irgendwann während der Abfahrt vor Extase ohnmächtig geworden war. „Whoooaaa! War – das – geil!“ jauchzte er überglücklich, rappelte sich auf, schnappte die Leine seines Schlittens, und hielt Eb seine andere Hand hin: „Es war mir ein Vergnügen, mit Dir Geschäfte zu machen“ sagte er, und rannte dann mit dem Schlitten im Schlepptau los, direkt wiede

22. Dezember

„Sie sind total waaaaaaaaaahhhhhhnnnnnsinnnnnniig.....“ schrie Eb, als Ehrenreich-Eisbrecher seinen Turboschlitten über den Felsvorsprung schob, und alle drei (Schlitten, Künstler und kreischender Eisbär) wie eine Lawine ins Tal donnerten. Mittlerweile war es bereits fast dunkel, und Eb konnte fast gar nichts sehen. Große dunkle Felsen schoßen am Schlitten vorbei, und hinter ihm schrie der Alte wie vom Teufel besessen. Eb schrie auch, aus tiefster Lunge, aber er merkte es nicht. Im fast freien Fall ging es bergab, und sein Verstand hatte schon lange ausgesetzt. Verzweifelt klammerte er sich an die Haltegriffe, seine Krallen bohrten sich in das extra gut gewachste Kohlefasergehäuse. „Ist das nicht fantastisch“ schrie Reini, und fing tatsächlich an vor Freude zu jodeln! Eb hätte ihn am liebsten erwürgt, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre! So mußte er sich in sein Schicksal fügen, und auf ein schnelles Ende hoffen. Das würde er sicher haben, so oder so. Fod und Dölb, die beiden Hilfsb

21. Dezember

„Ein wunderbares Stück!“ brüllte Reinhold Dorius Alexander Ehrenreich-Eisbrecher, aus pragmatischen Gründen oft Reini genannt. Reini war ein Mensch, ein alter, graubärtiger Innuit, der sich aus steuerlichen Gründen vor vielen Jahren aus dem Süden hierher verzogen hatte, und seitdem seine handgeschnitzten Eisfiguren an vorbeikommende Touristen verkaufte. Da die Zahl der Touristen in diesem Teil des Gebirges jedoch eindeutig zu wünschen ließ, war Reini mittlerweile stark abgemagert, und war umso mehr hocherfreut, als Eb ihm sein gesamtes verbliebenes Barvermögen in die Hand drückte. „Sie sind meine Rettung,“ sagte der Eisbär mit einem kleinen Lächeln, dem Ersten seit so langer Zeit. „Ihr Werk ist wirklich wunderbar!“ Eb betrachtete das zierliche Stück Eis in seinen Händen. Es stellte eine Krippe dar, vollständig aus einem Block klarsten Schmelzwassereises geschnitten. Vor der Krippe standen einige Kormorane und Pinguine, und schauten ins Innere der Krippe, wo drei weise Eisbären mit Gesc

20. Dezember

Ein eiskalter Wind kroch Eberhard, dem verzweifelten Eisbären, durch's Fell, als er mit zitternden Tatzen den langen, beschwerlichen Aufstieg hinauf zum Zwillingsgipfel begann. Das letzte Tageslicht des kurzen Polartages war fast erloschen, und die Temperaturen waren weit unter die selbst für Eisbären noch erträglichen Werte gefallen. Es schneite in dicken Flocken. Eb war erschöpft und müde, aber er mußte weiterklettern. Er mußte kämpfen. Es ging schließlich um seine Bärbel, und um ihr Geschenk. Für diese Bärin würde er alles machen, und mit ihrem Bild vor Augen raffte Eb seine letzten Kräfte zusammen, um die gesuchte Höhle noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Da! War da etwa ein Licht? Dort, hinter dem Felsvorsprung? Oder hatte er schon Halluzinationen? Nein, tatsächlich. Da lag die Höhle, ihr Eingang halb zugeschneit, ein wohligwarmes Licht verströmend. Er hatte es geschafft! Eb zog sich die letzten Meter auf allen vieren voran, und erreichte schwer keuchend die Höhle.

19. Dezember

„Nun lassen Sie doch den Kopf nicht so hängen, Herr Eisbär“, sagte Herr Laumeier, und bot dem schluchzenden Eb erneut sein bereits vollkommen durchgeweichtes Taschentuch an. „So schlimm ist es doch gar nicht wenn man kein Weihnachtsgeschenk hat“, fuhr er fort, hielt dann kurz inne und überlegte. „Na gut, zugegeben, es ist doch verdammt peinlich. MEINE Freundin jedenfalls würde mir nicht verzeihen, wenn ich kein Geschenk für sie hätte...“ Der Pinguin bemerkte gar nicht, dass diese Anmerkung vielleicht nicht die feinfühligste war, und auch nicht, dass Eb wieder heulend den Kopf in den Schnee warf und herzzerreissend zu schluchzen begann. „Wissen Sie,“ fuhr der Polizeipinguin fort, „ich habe meiner Freundin dieses Jahr eine wunderschöne Eisstatue gekauft. Eine kleine Elfe, ein echtes Kunstwerk! Von einem Künstler, den ich letzte Woche beim zu schnellen Schlittenfahren auf dem Steilhang Richtung Eisbach erwischt habe! Der Kerl glaubte tatsächlich, er könnte mit fast 60 km/h... bwwwgggbbb“

18. Dezember

„Santa's Shopping World“ nannte sich das Einkaufszentrum, das vor wenigen Jahren von einer ausländischen Investorentruppe von Kodiac-Bären in einer riesigen Eishölle errichtet worden war. Die Shopping World war ein großer Erfolg geworden, und hatte zahlreichen einheimischen Tierarten in dieser konjunkturschwachen Region eine neue Arbeitsstelle verschafft. Binnen kürzester eröffneten zahllose kleine Ramschläden, die angeschwemmtes Treibgut oder frischen Fisch anboten, mehrere Buchläden (Spitzenreiter auf den Bestsellerlisten war dieses Jahr „Kochen für Meeresfrüchte – 200 kulinarische Tipps für die hungrige Garnele“), Muschelschmuck-Läden, ein Angelbedarf-Fachgeschäft („Zum faulen Seehund“) sowie ein Antiquitätenladen, der sich auf den Verkauf eingefrorener Überreste längst vergessener Polarexpeditionen der Menschen spezialisiert hatte. Als Eberhard und Herr Laumeier pfeifend und schwitzend in der Haupthalle ankamen, wurden gerade die letzten Kunden von mehreren grimmig dreinblicken

17. Dezember

„HEY! Lassen Sie das! Was machen Sie da?“ fistelte der Pinguin, als er von Eberhard gepackt wurde. „Lassen Sie mich sofort wieder runter, verdammt nochmal!“ Aber Eb dachte gar nicht daran. Stattdessen streckte er seine rechte Vorderpranke aus, und stellte den Pinguin mit der anderen Pranke unzeremoniell auf die Handfläche, sodass ihm der Pinguin direkt in die Augen schauen musste. Leicht wankend stand der kleine beschirmmützte Kerl da, und wußte nicht so recht, was er sagen sollte. „Was... was soll denn das? Das ist gegen die Dienstvorschrift! Ich werde bei meiner Dienststelle...“ „Scheiß auf die Vorschriften! Dies ist ein Notfall“ grollte Eb ihn an, und funkelte dabei so böse mit den Augen, daß der Polizeipinguin prompt verstummte. „Du wirst mir jetzt zuhören,“ fuhr Eb fort, „und tun, was ich sage. Ich muß dringend ins Einkaufszentrum, und Du wirst mich da hinbringen!“ „Ins Einkaufszentrum? Sind sie verrückt? Alle Zufahrtsstraßen sind völlig verstopft! Da komme wir niemals durch. Und

16. Dezember

Auf der Zubringerstraße zum Einkaufszentrum, die durch eine schmale Gletschspalte führte, herrschte Chaos. Dicht an dicht gedrängt standen die letzten Einkaufenden in einer langen Reihe, es gab kein Vor oder Zurück mehr. Viele waren von der Warterei genervt, manch einer versuchte sich an seinem Vordermann vorbei zu drängen. Kleine Schneemäuse rannten geschickt zwischen den Beinen der wartenden durch und versuchten kleine Getränke an die Wartenden zu verkaufen. Ein Yeti vom Pannendienst versorgte ein Karibu, dass auf der leicht abschüssigen Straße ins Rutschen geraten und in den Vordermann geprallt war. Ein einzelner Verkehrspinguin versuchte verzweifelt die Situation unter Kontrolle zu bringen. Er pfiff auf einer kleinen Trillerpfeife und versuche sich durch lautes Twitschern Gehör zu verschaffen. Allerdings vergeblich. Für Eberhard stellte sich ein ganz anderes, sehr gravierendes Problem: während er dringend ins Einkaufszentrum reinkommen musste, schienen alle anderen von dort zu komm

15. Dezember

Eb blinzelte in das Gesicht eines der drei Frettchen vom Bodenpersonal, die er vorhin beim Beladen des Kondors beobachtet hatte. Das Frettchen stand hochaufgerichtet vor dem ihm, hatte die Arme vor der Brust verschränkt, und starrte ihn abwartend an. Auf einem verdreckten Namensschild konnte man seinen Namen erahnen: „Frickler“. Seine beiden Kumpanen standen feixend hinter ihm. Sie schienen beileibe nicht die Hellsten zu sein! Hinter den drei Frettchen stand wartend ein großer Lasten-Schlitten voll roher Makrelen. „Was ist jetzt? Stehst Du freiwillig auf, oder müssen wir Dich hier wegprügeln?“ Frickler schien seiner Sache sehr sicher zu sein, seine beiden Schergen hingegen erschraken und stellten sich furchtvoll in den Schatten ihres Anführers. Eb war müde, zu müde, um sich mit diesen Aushilfs-Kanalratten anzulegen. Mühsam stand er auf, klopfte sich einige Essensreste aus dem Fell und begann davonzutrotten. „Weise Entscheidung, Alter!“ rief Frickler ihm nach, „OK, Jungs, jetzt können w

14. Dezember

Draußen vor dem Hangar ließ sich Eb deprimiert auf einem Haufen leerer Proviantkisten nieder, und starrte mißmutig in den Himmel. Sein tolles Weihnachtsgeschenk, für das er so lange gespart hatte, hatte sich erledigt. Weil er sich mal wieder zu blöde angestellt hatte. Wie würde er das bloß Bärbel beibringen? Klar, es sollte eine Überraschung sein, aber insgeheim hatte sie sich schon lange gewünscht, dass sie einmal zusammen in den Urlaub fliegen würden. In einen richtigen Urlaub, nicht wieder mit Ebs versoffenen Verwandten für ein Wochenende auf das südliche Packeis-Schelf! Und jetzt? Er konnte doch nicht mit leeren Händen vor seiner Liebsten auftauchen. Und bis zum heiligen Abend waren es nur noch wenige Stunden! „Aaaaargh, was soll ich bloß tun?“ heulte Eb, und raufte sich verzweifelt die zottigen Haupthaare. „Am besten wär's, wenn Du erstmal Deinen fetten Arsch von unseren Kisten erheben würdest. Es gibt hier auch noch Leute, die arbeiten müssen, Kumpel!“

13. Dezember

„Achtung, Achtung! Bitte lassen Sie Ihr Gepäck und ihren Reiseproviant nicht unbeaufsichtigt!“ Vor den Abfertigungsschaltern warteten in langen Schlangen zahlreiche Lemminge, Hummer und Zugvögel auf ihre Bordkarte. Ein Polarfuchs vom Zoll durchsuchte gerade die Hausmuschel eines empört dreinblickenden Einsiedlerkrebses, ein zweiter Sicherheitsbeamter schnüffelte an allen Passagieren, um illegal eingeführte Lebensmittel zu entdecken. Vor lauter Gemurmel, Geschnatter, Geklappert und Heulen hätte Eb nicht mal sein eigenes Wort verstehen können - wenn er denn überhaupt mit jemandem hätte sprechen wollen. Entschlossen bahnte er sich einen Weg durch die Passagiere in Richtung des Informationsschalters. Nur wenige wagten es, sich dem grimmig dreinblickenden Eisbären in den Weg zu stellen. An der Information saß eine einzelne Pelikan-Dame und lauschte mit gelangweiltem Gesicht dem Gekrächze eines ältlichen Königspinguins, der sich lauthals darüber beklagte, dass seine Bordkarte von einem der S

12. Dezember

Der kleine interntionale Flughafen von Flockendorf lag direkt an einer Gletschkante. Die einzelne Startbahn, die auch gleichzeitig als Landebahn fungierte, war sauber gefegt und am Rand von glitzernden Bergkristallen als Landelichtern gesäumt. Ein einzelner Kondor stand schnaubend auf dem Rollfeld und wurde von drei Frettchen für den kommenden Start beladen. Ein reich aussehendes Zobelpärchen stand mit hochnäsigem Blick daneben und wartete auf den Abflug ihres zweifelslos privat gecharterten Fluges in Richtung Süden. Eb kannte den Kondor vom Sehen, nur seinen Namen hatte er sich nie merken können. „Sag mal, weißt Du, wo ich Lindi finden kann“ rief der Eisbär dem Großraumvogel zu. „Ja, im Moment müsste er irgendwo über dem Golf von Mexico sein, wenn er keinen zu starken Gegenwind hatte“ lachte der Kondor. „Wieso, gibt es was wichtiges?“ „Das kann man wohl sagen“, schnaubte Eb, und lief hinüber zum zentralen Abfertigungs-Iglu.

11. Dezember

„Bitte, bitte, lass noch jemanden da sein“ dachte Eb immer wieder, während er im Eilgalopp über die schneeweiße Ebene hetzte. „Oh, hätte ich die Flugtickets doch schon früher gekauft“. Lindberg, den alle nur „Lindi“ nannten, arbeitete als Pilot bei Kondor Airlines (schließlich war er, wie seine Kollegen, selbst ein Kondor), und hatte seinem alten Schulkollegen Eb versprochen, ihm die Tickets bei Seite zu legen. „Kein Problem, kannst Sie bis zum 23. abholen. Aber nicht später, dann muss ich auf meine letzte Tour in Richtung Bali. Und da gedenke ich dann auch bis zum Frühjahr zu bleiben. Du solltest mal sehen, was da am Strand für Hühner rumlaufen!“ Eberhard hatte damals über seinen gutgelaunten Freund lachen müssen, aber jetzt war ihm das Lachen vergangen. Wie sollte er nur ohne Lindi an die verdammten Tickets kommen?

10. Dezember

"Sowas ist mir noch nie passiert“, jammerte Eb und vergrub sein Gesicht in seine Tatzen. „Seitdem ich hier arbeite, habe ich noch nie einen Arbeitstag gefehlt. Noch nichtmal wegen einer Erkältung oder sowas. Und jetzt gleich zwei Tage, ohne etwas zu merken! Wenn sich das rumspricht...“ Der Eisbär fing jämmerlich an zu schluchzen. „Nana, ist doch nicht so schlimm“, sagte Dölb, und klopfte Eb aufmunternd auf die Schultern. „Ich habe diese Saison schon 17 Tage gefehlt, und heule auch nicht deswegen“ Eb hob kurz seine rotgeweinten Augen zum kiffenden Yeti, nur um sich mit einem neuen Aufheulen wieder schluchzend in den Armen zu vergraben. „Hömma, Chef“, sagte der Kormorran, „ich glaube nicht, dass irgendwer etwas gemerkt hat. Dölb und ich haben uns um alles gekümmert, die Gäste waren zufrieden. Und Du isst jetzt erstmal einen Happen, und morgen fliegst Du dann in aller Ruhe mit Deiner Bärbel in Urlaub.“ Fod hielt seinem Häufchen Elend von Chef eine gammelige Forelle entgegen. Doch der

09. Dezember

Eb musste sich auf eine Schneewehe setzen. Sein ohnehin schon weißes Fell war noch blasser geworden. Sein Hals fühlte sich trocken an, und trotz der warmen Mittagssonne fühlte er kalten Schweiß unter seinem Fell ausbrechen. Heute war Heiligabend? Aber... wie? Gestern war doch erst der 21. Dezember gewesen. Er konnte sich noch genau erinnern, wie er mit seinem Kumpel Julius, dem Schneemann, abends bei Herbert in der Kneipe gewesen war. Herbert, der Schneehase, den alle nur „den Mümmler“ nannten, hatte ihnen einen erstklassigen Selbstgebrannten vorgesetzt, eiskalt, natürlich. Und da Bärbel gerade mit einigen Freundinnen für zwei Tage zum Weihnachtsmarkt nach Unterfjord geschwommen war, hatte Eberhard bedenkenlos mitgetrunken: „So jung kommen wir nicht mehr zusammen!“ So war es wohl doch etwas später geworden... und heute morgen war er dann in seiner Höhle aufgewacht. Hatte er wirklich zwei ganze Tage durchgeschlafen?

08. Dezember

„Warum hast Du das gemacht, Chef?“ schnatterte Fod erbost und flatterte dabei von einem Fuss auf den anderen. „Erst läßt Du uns an den beiden letzten Tag der Saison alleine hier schuften, und dann versaust Du uns auch noch unseren ersten Urlaubstag! Bist Du verrückt geworden?“ Dölb versuchte seinen aufgebrachten Kollegen zu beruhigen, blieb jedoch ohne Erfolg. Eberhard donnerte noch wütender zurück: „Was soll das heißen: Euch alleine lassen? Warum seid Ihr nicht bei der Arbeit? Und was faselt Ihr da von erstem Urlaubstag? Unsere Weihnachtsferien beginnen doch erst übermorgen, am Heiligabend! Habt Ihr das vergessen, Ihr Idioten?“ Eb war mittlerweile so erbost, dass er nicht mehr wußte, ob er die beiden auslachen oder verprügeln sollte. „Öh, Chef, kann es sein, dass Du etwas verwirrt bist? HEUTE ist Heiligabend, und wir genießen jetzt unseren Urlaub!“ unterbrach Dölb die Diskussion und begann, sich einen neuen Joint zu drehen.

07. Dezember

Am Whirlpool, der mit Gasen aus unterseeischen Vulkanen gespeist wurde, fand er die beiden schließlich. Fod ließ sich mit geschlossenen Augen auf dem Rücken im warmen Wasser treiben, und klapperte nur schläfrig ab und zu mit dem Schnabel. Dölb, der Yeti, war gerade dabei, sich mit pelzigen Fingern einen Joint zu bauen. Weiß der Geier, wo er seinen Stoff immer herkriegte, aber Dölb wusste genau, was Eb vom Kiffen vor seinen Gäste hielt! Wütend schlich der Eisbär sich von hinten heran, und stieß den armen Yeti in hohem Bogen in das Becken, direkt auf den dösenden Kormorran. „Höy...“ blubberte Dölb, als er wieder an die Oberfläche gestrampelt war. „Geh sofort von mir runter, Du dämliches Fellknäuel“ rief eine Stimme glucksend aus dem Wasser, direkt unter Dölbs Allerwertestem. „Verzeihung“ murmelte der Yeti, zog den strampelnden Kormorran zurück an die Oberfläche und frimelte ihm mit traurigem Gesichtausdruck ein Hanfknäuel aus dem Gefieder.

06. Dezember

„Warum hat denn hier noch keiner aufgemacht“ knurrte Eb und wuchtete den mächtigen Felsbrocken bei Seite, der den Eingang zum Freibad versperrte. Seine gute Laune war weitgehend verflogen. Eigentlich hätte der halblöde Yeti Dölb schon vor einer halben Stunde aufmachen sollen, und Fod müsste eigentlich dort in der Kassennische sitzen und den Eintritt kassieren! Ein Karpfen pro erwachsenem Pinguin, eine Makrele pro Küken. Familienkarte für einen Hummer. So schwer ist das doch nicht. Manchmal ließ Fod , der notgeile Kormorran, die weiblichen Gäste auch schon mal gratis für eine kleine Verabredung zum Dinner rein, das wußte Ed. Aber sich überhaupt nicht blicken lassen? Das hatten die beiden Pfeifen noch nie gewagt! Na, die würden was zu hören kriegen!

05. Dezember

Eb‘s Arbeitsplatz lag eine gute halbe Stunde Fußmarsch entfernt, an einer kleinen Bucht direkt am Eismeer. Das öffentliche Freibad von Flockendorf, eines der größten seiner Art diesseits des Polarkreises, war weithin bekannt - nicht zuletzt ein Verdienst von Eberhard, der seit drei Jahren als gutmütiger Verwalter und engagierter Ober-Bademeister für die gesamte Anlage zuständig war. An guten Tagen tobten hier mehr als zwölftausend Pinguine im glasklaren Wasser, und da hatte man als Bademeister schon eine Menge zu tun. Vor allem, wenn man zwei solche Luschen wie Fod und Dölb als Hilfbademeister eingestellt hatte!

04. Dezember

„Ist es vielleicht dieser Brief?“ fragte Eb. Der Postbote erstarrte, und zog dann langsam und mit großen Augen den Kopf aus der Tasche hervor. Vor ihm stand feixend der Eisbär, und hielt einen vom Schnee leicht aufgeweichten Brief in der Tatze. „An den Weihnachtsmann. Packeisgasse 58a, 75453 Südgletscher. EILIG!“ stand auf dem rosafarbenen Couvert. „Danke, Eb, Du bist echt meine Rettung!“, jauchzte Jimmy, schnappte Eberhard mit dem Maul den Brief aus der Hand und robbte los in Richtung Süden. „Wu hafft waff gut wei mir. Fönen Urwaub!“ „Danke, aber mein Urlaub beginnt erst morg...“ wollte Eb dem gehetzten Postboten noch hinterherrufen, doch da war der schon hinter einer Düne verschwunden. Zurück blieben nur ein ein verwunderter Eisbär und eine Wolke aus aufgewirbelten Schneeflocken und vergessenen Briefen.

03. Dezember

„Nein, überhaupt nicht“, entgegnete Jimmy verzweifelt. „Ich habe schon wieder einen wichtigen Brief verloren!“ „Das kann ich mir bei Dir gar nicht vorstellten“ sagte Eb, und musste nun noch breiter grinsen. Glücklicherweise bemerkte der Postbote dies vor lauter Aufregung nicht. „Er ist für den Weihnachtsmann - und Du kannst Dir sicher vorstellen, wie der Alte reagiert, wenn einer der Wunschzettel nicht rechtzeitig zu Weihnachten ankommt! Er wird mit meinem Robbenleder seine Schlittensitze neu beziehen!“ schrie Jimmy mit angsterfüllter Stimme, und versenke seinen Kopf nun vollends in der sich immer weiter leerenden Posttasche.

02. Dezember

„Morgen, Eb“ rief Jimmy, der junge Post-Seebär, und wühlte hektisch in seiner Umhängetasche herum. Zahlreiche Briefe und Postkarten flogen heraus und landeten im glitzernden Schnee. „Hallo Jimmy“, erwiderte der Eisbär, und beobachtete, wie Jimmys Schnauze immer tiefer wühlend in der Posttasche verschwand. „Alles klar bei Dir?“ fragte Eb, und konnte sich ein amüsiertes Schmunzeln nicht verkneifen.

01. Dezember

Es war an einem schönen warmen Polarmorgen, als Eberhard, der Eisbär, sich ganz gemächlich rückwärts aus seiner Eishöhle schob. Er räkelte und streckte sich erstmal genüsslich, und blinzelte in die tiefstehende Morgensonne, die ihm wohlig auf den Pelz brannte. Eberhard, von seinen Freunden nur „Eb“ genannt, fühlte sich frisch und ausgeruht wie selten zuvor, und freute sich heute sogar fast, zur Arbeit gehen zu dürfen. Immerhin war es der letzte Arbeitstag, bevor er dann am ersten Weihnachtstag mit seiner Freundin Bärbel in den wohlverdienten Urlaub fliegen würde. Oh Junge, wie lange hatte er darauf gewartet! Fröhlich einen alten Langnese-Song vor sich hinpfeifend, stapfte er den Gletscherrand entlang.